Der Schrecken von Schröcken

Der Winter 2017 meinte es nicht gut mit uns. Doch Mitte Januar ist es endlich so weit. Die Wetterstationen prognostizieren 60 cm Neuschnee für den Arlberg. Also wird das geplante Skiwochenende von Wolkenstein nach Lech verlegt. An der Ausrüstung soll es nicht scheitern: 12 Paar Skier und ein Snowboard (Piste, Freeride, Touren) für vier Freunde und vier Tage scheinen uns gerade ausreichend.

Der erste Tag hält, was Bergfex versprochen hatte: Sonnenschein und Neuschnee. Nach einer 30-minütigen Querung von der Bergstation Steinmähder unter die Juppenspitze berauschen wir uns an feinstem Pulverschnee. Der erste des Winters! Das Leben ist schön.

Zurück im Skigebiet, halten wir Ausschau nach weiteren Varianten. Die Freeride-Abfahrt „Klimm“ vom Zuger Hochlicht nach Schröcken klingt vielversprechend: „Oben steile und zeitweise enge Rinnen, in denen sich viel Schnee ablagert. Weiter unten bieten sich mittelsteile Hänge für weite, schnelle Turns an. Komplette Sicherheitsausrüstung (LVS, Sonde, Schaufel) und Ortskenntnis von Nöten“.

Am Einstieg müssen wir erkennen, dass wir nicht die Ersten sind. Angesichts der fehlenden Ortskenntnis, kann das aber nur von Vorteil sein. Im Zweifel immer den Spuren hinterher. Wir machen die ABS-Rucksäcke scharf und stürzen uns ins Vergnügen. Erster Hang: mittelsteil, nordseitig, herrlich. Leider enden die Spuren an einem senkrechten Abbruch. Zu dumm. Ein Stück zurück. Die weiterführenden Spuren sind alles andere als eindeutig. Erste Nervosität kommt auf. Nochmal auf die Karte schauen. Eigentlich müsste es nach Norden gehen. Oder doch nach Westen? Nirgends ist das Gelände einsehbar. Überall können weitere Abbrüche auf uns lauern. Ziemlich verunsichert tasten wir uns voran …

"Endlich sehen wir ein paar Skifahrer in einer weiten Rinne östlich von uns. Die wissen bestimmt, wo es lang geht."

 

 

 

"Mein Puls beruhigt sich.
Wir fahren noch ein paar Schwünge weiter,
dann haben wir sie erreicht."

Die Gruppe steht auf einem kleinen Plateau und scheint auf uns zu warten. Aber warum schnallen die ihre Skier ab? Einer sieht aus wie der Bergführer. Ich schwinge bei ihm ab und frage, was sie vorhaben. Seine Antwort führt schlagartig zu vermehrter Aktivität meines Nebennierenmarks: „Wir fellen auf und gehen wieder zurück. Hier geht´s nicht weiter.“ Skitourengeher!!! Unsere Tourenskier stehen im Keller des Hotels! So ruhig wie möglich frage ich, wo die Freeride-Abfahrt „Klimm“ hinunter geht.

Wir erfahren, dass die Abzweigung zur entscheidenden Rinne ein paar Hundert Höhenmeter weiter oben liegt. Unterhalb des Plateaus, auf dem wir stehen, reihen sich zwei vereiste Wasserfälle aneinander. „Ich kenne niemanden, der da runter gefahren ist“, erklärt uns der Führer und macht sich mit seiner Gruppe auf den Rückweg.

Leicht gestresst gehen wir unsere Möglichkeiten durch: Ohne Felle aufsteigen? Zu anstrengend! Über den Wasserfall springen? Zu gefährlich! Die Bergrettung rufen? Zu peinlich! Da schafft einer der vier Freunde Fakten. So lange wir noch Akkuleistung und Empfang haben, will er prüfen, wie unsere Chancen stehen. Schneller als gedacht hat er die Leitstelle der Bergrettung am Apparat und unsere GPS-Daten durchgegeben. Wir sollen ruhig bleiben und warten. Ein Hubschrauber wird uns holen! Ich fürchte, das wird teuer! Vielleicht hätten wir doch versuchen sollen, aufzusteigen? Oder doch springen?

Als 20 Minuten später ein Polizei-Hubschrauber über uns auftaucht, sind wir gleichzeitig angespannt und erleichtert. Wenigstens wissen wir als AEROSKI-Kunden wie wir uns zu verhalten haben: Skier auf einen Haufen legen, zusammen kauern und dem Piloten ausreichend Platz für die Landung lassen. Leider haben wir kein rotes Fähnchen dabei. Der Heli setzt auf und ein Polizist kommt gebückt auf uns zu. Kein aufmunterndes Lächeln, kein freundliches Wort. Er nimmt unsere Skier entgegen und verfrachtet sie in den Korb. Kaum sind wir angeschnallt, hebt der Pilot ab und fliegt uns in wenigen Minuten zu einem kleinen Flugplatz im Tal.

Nachdem die Maschine steht, frage ich kleinlaut: „Und wie geht´s jetzt weiter?“ Pilot und Polizist sind plötzlich sehr entspannt und lächeln sogar: „Wir nehmen Eure Personalien auf und das war´s dann.“ Wie? Keine Ermahnung, keine Strafe, keine Kostenerstattung? Unglaublich! Noch während wir unsere Namen und Adressen buchstabieren, kommt schon der nächste Notruf. Und schon ist der Hubschrauber wieder in der Luft. Zum ersten Mal seit langer Zeit denke ich ohne Ironie: Die Polizei – dein Freund und Helfer!

Als wir am nächsten Tag – wie die Verbrecher – zum Ort des Geschehens zurückkehren (diesmal mit Fellen), treffen wir auf eine Gruppe Freerider. Ich erzählte dem Guide, dass wir tags zuvor vergeblich die „Klimm“ gesucht hätten. Er entgegnet sarkastisch: „Ach, Ihr seid´s die Typen, die sich haben ausfliegen lassen!“

Das nächste Mal fliegen wir lieber wieder mit AEROSKI.

Oliver Paxmann
 

Anmerkung von AEROSKI:
… Ja, und das nächste Mal, lieber Oliver habt Ihr auch einen erfahrenen Bergführer dabei. Denn wir schicken unsere Kunden niemals ohne Guide los. Man sieht ja, was sonst passieren kann ...

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